11.
Juni

von Tobias Scheidacker

Einige der im Handel erhältlichen Mietvertragsformulare sind schon sehr gut, zum Beispiel die von Haus & Grund. Sie decken weitgehend ab, was im Laufe des Mietverhältnisses so an Fragen auftauchen kann, und sie sind auf dem aktuellen Stand der Gesetze und der Rechtsprechung.

Ein paar Dinge können die Formulare aber nicht vorwegnehmen, nämlich alles, was den konkreten Einzelfall betrifft. Dazu gehört, wer Vermieter und wer Mieter ist, die Miethöhe, die Laufzeit und was genau vermietet wird. Sie glauben gar nicht, was man bei diesen vier Dingen alles falsch machen oder so unklar formulieren kann, daß hinterher keiner genau weiß, was gemeint war!

Ein Beispiel für eine verunglückte Laufzeitregelung lag gerade dem BGH vor (Beschluß vom 8. Mai 2018 zum Az. VIII ZR 200/17). Es ging um ein Zweifamilienhaus, die Parteien hatten bei Vertragsbeginn ein Formular von Haus & Grund genommen. Der Mustertext sah die Möglichkeit vor, die Kündigung bis zu 4 Jahre auszuschließen. Er lautete:

“Kündigungsverzicht (maximal vier Jahre)
Das obige Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beide Mietparteien verzichten wechselseitig bis zu ______________ (maximal vier Jahre ab Vertragsschluss) auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrags. Zum Ablauf des Verzichtszeitraums kann das Mietverhältnis erstmalig wieder von beiden Mietvertragsparteien mit den gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird von dieser Regelung nicht berührt.”

Das Kästchen “Kündigungsverzicht” wurde bei Abschluss des Mietvertrages handschriftlich angekreuzt; eine Verzichtsdauer wurde nicht genannt und die Passagen “maximal vier Jahre” sowie “maximal vier Jahre ab Vertragsschluss” wurden gestrichen.

Es kam, wie es kommen mußte: das Haus wurde 2 Jahre später verkauft und die Käufer wollten selbst einziehen, d.h. sie kündigten wegen Eigenbedarfs. Vor Gericht ging es um die Frage, ob das Nichtausfüllen der Dauer bedeutet, daß die Regelung nicht vollständig vereinbart wurde, oder ob es bedeutet, daß niemals gekündigt werden kann. Das warf zudem die Frage auf, ob man das überhaupt vereinbaren kann: daß niemals gekündigt werden kann. Denn es gilt dann ja nicht nur für den Vermieter, sondern auch für den Mieter. Rechtlicher Hintergrund war zudem die Frage, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, für die strengere Regeln gelten, oder nicht, und wenn ja was daraus im vorliegenden Fall folgt.

Der BGH entschied den Fall nicht abschließend, sondern verwies das zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurück. Dabei gab er aber einige wichtige rechtliche Hinweise zu den vorstehenden grundsätzlichen Fragen, unter anderem

  • daß es möglich ist, individualvertraglich die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses für sehr lange Dauer auszuschließen, nämlich bis zu 30 Jahre (§ 544 BGB). Eine Grenze wird bei einem individuell vereinbarten Kündigungsausschluss nur durch eine etwaige Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) gesetzt, etwa bei Ausnutzung einer Zwangslage einer Partei oder beim Vorliegen sonstiger Umstände, die der Vereinbarung das Gepräge eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts geben.
  • Selbst wenn es sich bei der vorliegenden Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln und diese unwirksam sein sollte, kann der Vermieter wohl nicht kündigen. Denn die Inhaltskontrolle von AGBs soll (nur) den Vertragspartner des Verwenders (= hier: den Mieter) vor einer unangemessenen Benachteiligung durch missbräuchliche Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht schützen. Will der Vertragspartner des Verwenders die unwirksamen Geschäftsbedingungen uneingeschränkt gegen sich gelten lassen, kann es dem Verwender (= hier: dem Vermieter) nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen. Diese Voraussetzung hält der BGH hier für möglich, da die Mieter von Anfang an deutlich gemacht haben, dass sie sich an dem beiderseitigen dauerhaften Kündigungsausschluss festhalten lassen wollten.

Das unvollständige oder unklare Ausfüllen des Formularmusters hat vorliegend einen Prozeß über 3 gerichtliche Instanzen bis hinauf zum BGH bewirkt. Nach der jetzigen Zurückverweisung an das Landgericht kommt dieses als 4. Instanz hinzu, danach kann wieder Revision zum BGH eingelegt werden. Ein Streit über etliche Jahre zu hohen Kosten. Viel einfacher wäre gewesen, wenn man bei Vertragsbeginn den Mustertext durchgestrichen und dazugeschrieben hätte: “siehe Anlage 1”. In einer Anlage 1 hätte man dann zum Beispiel geregelt: “Wir sind uns darüber einig, daß das Mietverhältnis für die Dauer von 30 Jahren nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden kann.” Dann hätte man noch dazu geschrieben, warum man das vorliegend so will, d.h. es weiter individualisiert, und alles wäre klar und eindeutig gewesen. Der Käufer hätte noch vor seiner Kaufentscheidung gewußt, daß er nicht wegen Eigenbedarfs kündigen kann, und ihm und dem Mieter wäre dieser aufwendige Prozeß erspart geblieben.

Hier bewahrheitet sich wieder der Spruch: Spare Geld, geh zum Anwalt! Wäre der Vermieter mit dem ausgefüllten Vertragsentwurf zum Anwalt gegangen, hätte es diesen Prozeß wohl nicht gegeben. In einer kurzen Beratung von vielleicht einer halben Stunde vor Vertragsabschluß hätte man solche Dinge klären können. Das hilft allen, namentlich auch dem Mieter.

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